Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kiechle,
im Namen der Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen stelle ich folgenden Antrag: Der Stadtrat möge die Kommission für Erinnerungskultur mit der Überprüfung der Liste der Kemptener Ehrenbürger (aktuell 14 Männer!) beauftragen und anschließend die notwendigen Entscheidungen treffen.
Begründung: Bevor wir damit anfangen, verdiente Persönlichkeiten neu vorzuschlagen, ist es sinnvoll, die bestehende Liste zu überprüfen. Da der Titel nur an lebende Personen vergeben werden kann, ist es selbstverständlich, dass manche Entscheidungen aus historischer Perspektive gesehen revidiert werden können/müssen.
Es ist einerseits zu prüfen, ob der direkte Bezug zu Kempten im Sinne der Satzung gegeben ist: Haben alle Personen „für die Stadt Kempten außerordentliche Verdienste, die auf Dauer Dank und Anerkennung verdienen, erbracht oder die durch besondere und außergewöhnliche Leistungen das Wohl oder das Ansehen der Stadt entscheidend bereichert“?
Andererseits sind auf der Liste die Personen zu prüfen, die in der NS-Zeit erwachsen waren. Gibt es unter ihnen Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus das menschenverachtende Regime freiwillig, aktiv unterstützt haben, beispielsweise durch die Übernahme einer das Unrechtsregime unterstützenden verantwortungsvollen Position? Die reine NSDAP-Mitgliedschaft darf unserer Meinung nach für einen Ausschluss nicht ausreichen. Wie Dina Nayeri in ihrer Dankesrede für den Geschwister-Scholl-Preis 2020 schrieb: „Der Anspruch auf Reinheit – eine der Lügen, gegen die die Geschwister Scholl ankämpften – ist gefährlich.“
Bei der höchsten Auszeichnung, die die Stadt zu vergeben hat, ist eine Kontextualisierung weder möglich noch vertretbar. Mit diesem Schritt bewahren wir auch zukünftige potentielle Kandidat*innen für die Ehrenbürgerschaft vor der schweren Gewissensentscheidung, ob sie die Auszeichnung annehmen.