Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kiechle,
ich beantrage die Änderung des § 7 der Geschäftsordnung des Integrationsbeirats im Rahmen der Stadtratssitzung vom 28.01.2021. Angesichts der aktuellen Pandemie-Situation ist es dringend notwendig, die Sitzungen des Beirates auch online durchführen zu können.
Weder in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern noch in der Geschäftsordnung des Stadtrates in Kempten wird geregelt, ob die Sitzungen eines „Besonderen Beirates“ in Präsenz stattfinden müssen. § 15 der Geschäftsordnung des Stadtrates weist darauf hin, dass die Satzung des Beirates die nicht geregelten Fragen bestimmen kann. Für deren Ausgestaltung gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. In § 7 Absatz (2) der Geschäftsordnung des Integrationsbeirats steht: „Der Beirat ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder bei der Sitzung anwesend sind.“ Die hier vorgeschriebene Pflicht zur persönlichen Anwesenheit kann dementsprechend durch eine Modifizierung / Ergänzung des § 7 problemlos abgeschafft und auf digitale Sitzungen erweitert werden. § 7 (4) könnte beispielsweise heißen: „Die Sitzungen des Beirates können bei Bedarf auch online stattfinden. Für die Beschlussfähigkeit gelten auch in diesem Fall die in den Punkten 1-3 beschriebenen Regeln.“
Begründung:
Für Kempten kenne ich keine Daten, aber mit Sicherheit gelten auch bei uns die gleichen Tendenzen, die beispielsweise im Oktober 2020 beim Integrationsgipfel der Kanzlerin festgestellt und in der OECD-Studie „Internationaler Migrationsausblick 2020“ mit Statistiken belegt wurden: Die Corona-Krise trifft zugewanderte Menschen besonders hart. Laut OECD ist das Ansteckungsrisiko für Einwanderer doppelt so hoch wie für Einheimische, aber auch die Sterblichkeitsrate ist deutlich höher. Migranten-Familien leben häufiger auf engem Raum zusammen. Das gilt in hohem Maße für die Gemeinschaftsunterkünfte, in denen die Menschen zusätzlich verstärkt unter der sozialen Isolation leiden. Viele Einwanderer arbeiten in Jobs, bei denen die Einhaltung der Hygieneregeln schwierig ist. Sie stellen einen großen Teil des medizinischen und Pflegepersonals und kämpfen in systemrelevanten Berufen bis zur Erschöpfung gegen das Virus, sie „halten das Land mit am Laufen“ (Annette Widman-Mauz). Ohne sie hätte der Online-Handel große Schwierigkeiten, weil die Paketdienste zum Erliegen kämen. Der Lockdown betrifft Branchen, in denen viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten, besonders hart (Hotels, Gastronomie), viele fürchten um ihre Arbeit und ihre Existenz. Die Reisebeschränkungen trennen Menschen von ihren Familien im Herkunftsland. Besuche sind mit hohen, oft auch unübersichtlichen, Auflagen und mit Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden. Für Schülerinnen und Schüler aus Migranten-Familien hat der Wegfall des Präsenz-Unterrichts tiefgreifendere Folgen. Viele Integrationsmaßnahmen wurden gleichzeitig heruntergefahren. Die Informationen über die aktuellen Entwicklungen und Regeln kommen bei Menschen mit Migrationshintergrund oft nicht oder nicht richtig an. Zu den Gründen gehören nicht nur die Sprachbarrieren, sondern auch die widersprüchlichen Informationen aus den sozialen Medien, die ihren Ursprung oft im Herkunftsland haben. Falsche oder Fehlinformationen werden schnell verbreitet, was sich auch auf die Impfbereitschaft der Menschen negativ auswirken kann. Aus dieser Beschreibung ergeben sich viele Aufgaben auf der kommunalen Ebene, bei denen der Integrationsbeirat eine zentrale Rolle einnehmen müsste.
Der Integrationsbeirat hatte am 23.09.2020 seine konstituierende Sitzung und seit diesem Zeitpunkt ist, von einem schlecht besuchten lockeren Online-Treffen abgesehen, nichts passiert. Seit 1984 ist der Ausländer-, später Integrationsbeirat die kommunalpolitische Stimme von Menschen mit Migrationshintergrund und übt eine Scharnier-Funktion zwischen dem inzwischen auf fast 40 Prozent gewachsenen Teil der Bevölkerung und der Stadtpolitik bzw. Stadtverwaltung aus. Durch die Abschaffung von Wahlen hat er zwar stark an Legitimation eingebüßt, aber er ist vielseitig aufgestellt und gesellschaftlich verankert und vor allem, er hat viele neue Mitglieder, die eine hohe Bereitschaft für Engagement zeigen. Auf das Mitwirken dieses Gremiums bei der Bekämpfung der jetzigen Krise dürfen wir einfach nicht verzichten! Um eine effektive Arbeit zu gewährleisten, darf es natürlich auch nicht bei 3 Sitzungsterminen im Jahr bleiben. Bei Beiratsmitgliedern, für die die Teilnahme an einer Online-Sitzung Schwierigkeiten bereitet, muss technische oder/und mitmenschliche Hilfe geleistet werden.
Finanzierungsvorschlag:
Der Finanzierungsbedarf ist geringfügig. Durch die Umstellung der Stadtverwaltung auf Home-Office und digitale Lösungen kann man auf vorhandenes Material und Strukturen zurückgreifen.