Wahlforum AZ

22.01.2020

Wahlforum der Allgäuer Zeitung

Einige Anmerkungen zu den angesprochenen Themen:
100-Euro-Ticket:
Die Unterschriftensammlung für das 100-Euro-Ticket ist ein Aufschrei der Bürger*innen mit folgenden Aussagen:
- Wir brauchen einen leistungsfähigen und bezahlbaren ÖPNV. Hört auf, nach Ausflüchten zu suchen, sondern fangt an zu handeln! Ein Flaterate-Angebot (über die Höhe lässt sich mit Sicherheit reden) ist dazu geeignet, den festgefahrenen Schiff in Bewegung zu setzen. Es gibt in Kempten Menschen, die sich ein Auto nicht leisten können und die sich ein Auto nicht mehr leisten wollen. Bei der steigenden Bevölkerungszahl werden wir in der Stadt keinen Platz mehr für alle Autos haben. 
- Wenn Bürger*innen durch so eine Protestaktion signalisieren, dass sie unzufrieden sind und Gesprächsbedarf haben (die Initiatoren warten seit Wochen auf einen Termin im OB-Büro), dann werde ich als Oberbürgermeister nicht über sie bei Veranstaltungen und Pressegesprächen reden und dabei ihren Wunsch als "Ramsch" abwerten, sondern mit ihnen reden, die Standpunkte klären und nach gemeinsamen Lösungen suchen. Demokratie bedeutet, dass man auch dann miteinander redet, wenn es unbequem werden kann. 
Transparente Umsetzung der Beschlüsse:
Bei städtischen Investitionen und Vorhaben brauchen wir einen intensiven Diskurs in der Stadtgesellschaft. Die Bürger*innen sind Expert*innen bei der Stadtentwicklung: ihre Ideen, ihre Stimme, ihr Mitwirken sind unerlässlich. Sie haben aber auch das Recht, zeitnah an ungeschminkte Informationen zu kommen: Es ist in Ordnung, den Stadtpark den Erfordernissen der Festwoche umzugestalten, aber es ist nicht mehr in Ordnung, das als Parkbegrünung zu vermarkten. Ich werde beschlossene, aber noch nicht verwirklichte Vorhaben, wie den durchgehenden Ausbau des Radweges in der Immenstädter Straße, nicht als "erledigt" bezeichnen, nur um den Fortschrittsbericht beim Mobilitätskonzept in ein besseres Licht zu setzen. Ich werde den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft forcieren, um gemeinsame Lösungen zu finden und diese offen, direkt und ohne Umschweife kommunizieren.
Klimaschutz:
Entwicklungsminister Dr. Müller hat Recht: "Klimaschutz ist eine Überlebensfrage der Menschheit". Ich finde es auch richtig, der Allianz für Entwicklung und Klima beizutreten. Ich habe aber große Bedenken, wenn unser Oberbürgermeister dieses Projekt als sein "persönliches Leuchtturmprojekt" bezeichnet und auf Kompensation setzt. Von der eigenen Verantwortung und von dem dringenden Handlungsbedarf vor Ort durch "Ablasshandel" abzulenken finde ich falsch. Klimaschutz vor Ort bedeutet die Umsetzung der kommunalen Klimaziele, die Umstellung auf erneuerbare Energien, die Förderung der Energie und Material schonenden Wirtschaft sowie der regionalen Versorgung, Schaffung von Grünflächen, Dachbegrünung, die konsequente Umsetzung der Verkehrswende, Förderung der energetischen Gebäudesanierung und vieles mehr. Wir müssen handeln, hier und jetzt! Weil wir hier leben.
Öffentlicher Raum:
Wir brauchen mehr Raum  für Menschen, die gerne zu Fuß unterwegs sind. Wir brauchen ein sicheres und breitgefächertes Fahrradnetz. Wir brauchen einen leistungsfähigen und bezahlbaren ÖPNV. Wir brauchen öffentliche Plätze mit Grün, Bäumen, Blumen und Freizeitangeboten. Wir brauchen Begegnungsstätten ohne Konsumzwang und für alle offen. Sicherheit entsteht nicht durch Verbote, sondern durch die Anwesenheit von Menschen. Es ist unmöglich, dass es in Kempten - trotz zahlreicher Jugendeinrichtungen - für junge Menschen keine öffentliche Begegnungsstätte zur Verfügung steht, um beispielsweise Geburtstage zu feiern. Wir brauchen eine verkehrsberuhigte Innenstadt mit einem bunten, zeitgemäßen und kreativen Angebot. Es reicht nicht, alles den großen Handelsketten zu überlassen.
Vermisst:
Vermisst habe ich die Diskussion über den gesellschaftlichen Zusammenhalt und über die kritische Wohnungssituation. Es war auch schade, dass die jungen Leute mit ihrem Wunsch nach dem sicheren Hafen Kempten nicht einmal zu Wort gekommen sind und dass nur zwei Zuschauerfragen gestellt wurden.
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